Ein kleiner Betrieb in einem kleinen Ort im Münsterland. Der Arbeitsvertrag wird mündlich geschlossen. Teilzeit, 11€ pro Stunde, Arbeit in der Werkstatt. Im ersten Monat läuft’s wie geplant, im zweiten gibt’s einige Probleme. Nach kurzer Krankschreibung erscheint der Genosse wieder zur Arbeit. Dann heißt es: „Wir strukturieren um. Du brauchst nächste Woche nicht kommen“, oder so ähnlich. In der nächsten Woche ist der Grund ein anderer. In der darauffolgenden Woche gibt es ein Gespräch, dass als Kündigungsabsicht interpretiert werden kann (eine Kündigung an sich ist nur schriftlich wirksam).
Schriftlich gibt es aber gar nichts, auch nicht nach Aufforderung: Kein Arbeitsvertrag, keine Lohnabrechnung, keine Sozialversicherungsmeldung und auch keine Kündigung. Ghosting? Geht schlecht, wenn man einen Laden im Dorf hat. Aber knapp 1000€ Lohn werden gut drei Monate nach Beginn der Beschäftigung gutgeschrieben. Wie sich diese Summe wohl berechnet? Selbst für die gearbeiteten Stunden wäre es zu wenig. Dann kommt noch die Abmeldungsbestätigung von der Krankenversicherung. Sollte das dann alles sein?
Wir haben nachgerechnet: Ein Restanspruch aus den gearbeiteten Stunden, etwas Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, und 20 Std./Woche angesetzt für den Annahmeverzugslohn (geänderter §12,1 Teilzeit- und Befristungsgesetz!). Bis zum anzunehmenden Ende der ordentlichen Kündigungsfrist von vier Wochen zu Mitte oder Ende des Monats – bescheidenerweise schon ab dem Datum des genannten Gesprächs gerechnet – kommen gut 1100€ netto zusammen. Mit einschlägigen Paragraphen und gewerkschaftlichem Briefkopf versehen senden wir unser Forderungsschreiben. Kurze Frist gesetzt, Klage angedroht.
Antwort vom Betrieb: Wir wären im Irrtum, der Verzicht auf diese Ansprüche sei schon geklärt. Wir informieren, dass Verzicht nicht die Absicht unseres Genossen war. Eine schriftliche Kündigung kommt nun, datiert auf den 15. des Vormonats zum 28. desselben. Hmmm, Kündigungsfrist, da war doch was? Unser Genosse möchte sich aber nicht vor Gericht darüber streiten, sondern schnell Geld.
Unser Genosse würde auf den Rest verzichten, wenn unverzüglich bis zu diesem 28. gezahlt würde – vier Wochen Annahmeverzugslohn und ein kleiner Nachschlag aus dem Vormonat. Nochmal kurze Frist gesetzt.
Antwort eines der Geschäftsführer: Er kenne sich mit rechtlichen Dingen nicht aus, fühle sich aber ausgenutzt und außerdem habe der Beschäftigte im Januar auch Schichten verpasst. Das klingt glaubwürdig. Wir bringen zum Ausdruck, dass wir unsere Forderungen unabhängig davon verfolgen, und dass die Frist noch läuft.
Nun geht’s schnell. Ein Anwalt der Gegenseite hat ein Dokument aufgesetzt, das unser Genosse gegenzeichnen soll. Die zuletzt geforderten 860€ landen auch fast sofort auf dem Konto. Fazit: Sicher wäre auch mehr zu holen gewesen – aber schnelles Geld ist für die Nerven des Genossen auch einfach besser.
Ein etwas skurriler Einzelfall? Bestimmt – einer von unzähligen, landauf-landab…